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Präzisionsmedizin in der Onkologie verlängert signifikant das Überleben

Der Einsatz der individualisierten Therapie bei Krebserkrankungen ist sinnvoll und machbar: das ist das zentrale Ergebnis der EXACT-Studie, die am Comprehensive Cancer Center (CCC) der MedUni Wien und des AKH Wien durchgeführt und deren Ergebnisse nun präsentiert wurden. Die Arbeit, die weltweit zu den ersten ihrer Art zählt, belegt, dass sich sowohl das progressionsfreie Überleben im Vergleich zur vorherigen Standardtherapie signifikant verlängert hat und dass die Krankheit bei rund 60 Prozent der massiv vorbehandelten PatientInnen stabilisiert werden konnte. Die ForscherInnen des CCC zeigen somit, dass das Konzept der individualisierten Therapie wirkt und zukünftig stärker in den klinischen Alltag eingebaut werden könnte.

In der Studie waren 55 PatientInnen eingeschlossen, die an einer fortgeschrittenen Tumorerkrankung litten, bei der alle Standardtherapien keine Wirkung mehr zeigten. Mit Hilfe molekularpathologischer Untersuchungen wurde ihr Tumor charakterisiert und seine individuellen Merkmale bestimmt. Diese dienten dann als Ansatzpunkt für die Ausarbeitung eines auf die PatientIn speziell zugeschnittenen Behandlungsprotokolls. Gerald Prager, Onkologe an der Universitätsklinik für Innere Medizin I der MedUni Wien und des AKH Wien, Mitglied des Comprehensive Cancer Center (CCC) und Leiter der Studie: „Grundsätzlich ist die Idee der Präzisionsmedizin nicht neu. Was nun gezeigt werden konnte ist, dass PatientInnen mit einem soliden Tumor bei Resistenz auf Standardtherapien von einer molekularen Tumorcharakterisierung profitieren.“

Tumorheterogenität: Herausforderung und Chance
Grundlage der Studie war das Wissen, dass Zellen von Tumoren ganz unterschiedliche Merkmale aufweisen, die sich unter der Therapie zusätzlich weiter verändern können. Über diese Merkmale, meist sind es fehlerhafte Proteine, erhalten die Tumorzellen beispielsweise die Befehle zum Überleben, zur Zellteilung oder zur Metastasierung. Auf Grund ihrer heterogenen Zusammensetzung und ihrer Wandlungsfähigkeit sind Tumoren oft schwer zu behandeln und können gegen eine Therapie resistent werden. Prager: „Deshalb war es nötig, den PatientInnen im Verlauf ihrer Therapie erneut Gewebe zu entnehmen und zu prüfen, wie weit sich der Tumor unter der aktuellen Therapie verändert hatte und fallweise neue therapeutische Ziele zu finden.“

Wichtige Rolle der Grundlagenforschung
Allein die Tatsache, dass bei der Biopsie Gewebe durch interventionelle RadiologInnen zur Charakterisierung durch MolekularpathologInnen entnommen wurde, zeigt, dass individualisierte Therapiekonzepte nur in einem interdisziplinären Setting sinnvoll machbar sind. Eine besondere Rolle kommt dabei der Grundlagenforschung zu.

Die molekularbiologischen Analysen, und hier vor allem die Sequenzierungen von Tumormaterial, liefern sehr wichtige Erkenntnisse, die eine bessere und gezieltere Behandlung von KrebspatientInnen erlauben. So hat man zum Beispiel entdeckt, dass Tumore sehr heterogen sind. Das heißt, sie bestehen aus verschiedenen Krebszellen mit unterschiedlichen genetischen Veränderungen. Sie sind in ihrem Wachstum entsprechend von verschiedenen Veränderungen, sogenannten „Drivern“ abhängig.
Maria Sibilia, Leiterin des Instituts für Krebsforschung und stellvertretende Leiterin des CCC: „Die Präzisionsmedizin erfordert, dass wir diese Driver-Veränderungen molekularbiologisch in jedem Tumor charakterisieren und die PatientIn entsprechend gezielt medikamentös behandeln. Diese zielgerichteten Therapien müssen während des Verlaufs der Krankheit adaptiert werden indem man berücksichtigt, wie sich der Tumor genetisch verändert hat. Medikamente können so viel gezielter eingesetzt werden und auch unnötige Nebenwirkungen vermieden werden. Das konnte zum Beispiel in unseren Forschungsarbeiten beim hepatozellulären Karzinom und beim kolorektalen Karzinom erfolgreich gezeigt werden.“
Die Grundlagenforschung beschäftigt sich auch mit den Fragen warum Therapien bei einigen PatientInnen nicht wirken, oder warum sich nach einiger Zeit Resistenzen auf das Medikament entwickeln.“ Auf diese Weise gelingt es immer wieder, neue Anwendungen für bewährte Therapien zu finden, was vor allem in der experimentellen Therapie eine große Rolle spielt. Die Grundlagenforschung ist somit wichtig für die Entdeckung neuer Erkenntnisse, die noch nicht Standard in der Behandlung sind. Auch bei der Sequenzierung des Tumorgenoms wird deutlich, wie wichtig die Arbeit von GrundlagenforscherInnen im Bereich der individualisierten Therapie ist. Ihre Analysen sind die Basis für die Behandlungsentscheidung.

Translationale Forschung: Vom Labor in die Klinik und zurück
Es profitieren aber nicht nur die behandelnden ÄrztInnen von den Erkenntnissen der GrundlagenforscherInnen. Im Tumorboard sehen die GrundlagenforscherInnen, wie die Medikamente im Menschen wirken und welche genetischen Veränderungen gehäuft vorkommen. Sibilia: „Das ist dann der nächste Anreiz für uns, die Frage nach dem ,warum‘ zu stellen und nach neuen Erkenntnissen zu suchen.“ Diese Art der Rückkopplung, die essenziell für die Präzisionsmedizin ist, nennt man translationale Forschung.“ Alle Erkenntnisse sollen zuletzt den PatientInnen zu Gute kommen.