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Mit Künstlicher Intelligenz in der Pathologie dem Krebs auf der Spur

Bigpicture Annual Meeting in Wien: Ein zentraler Speicher für digitale Pathologie-Objektträger soll die Entwicklung der künstlichen Intelligenz fördern.

Bigpicture Annual Meeting in Wien: Katrien Grünberg, Michael C. Montalto, Jeroen van der Laak und Renate Kain (v.l.n.r.).  Foto: Christopher Kaltenecker

Das von der EU geförderte Project „Bigpicture“ schafft ein auf ethischen Grundlagen basierendes, sicheres, langfristig und nachhaltig verfügbares Datenarchiv mit 3 Millionen digitalen Schnittbildern, das für die Entwicklung und den Einsatz von Artificial Intelligence (AI) in der Pathologie zur Verfügung steht. Die digitale Pathologie wird hier besonders bei der Diagnostik und Erforschung von Tumoren zum Einsatz kommen.

Mehr als 150 Expert:innen aus der ganzen Welt trafen sich vor kurzem – und erstmals zu einem großen Teil persönlich - an der MedUni Wien beim zweiten Bigpicture Annual Meeting. Ziel von Bigpicture (https://bigpicture.eu/) ist die Etablierung eines zentralen Speichers für digitalen Schnittbilder, das die Entwicklung der künstlichen Intelligenz (AI) in der Pathologie fördern soll. Bigpicture ist ein mit 70 Millionen Euro von der Europäischen Union im Rahmen des Horizon 2020 research and innovation programs and EFPIA gefördertes Projekt. Es ist damit ein Private Public Partnership Modell zwischen Industrie, Academia und KMUs mit insgesamt 55 beteiligten Institutionen bzw. Unternehmen (www.imi.europa.eu). Das Meeting wurde von der akademischen Leiterin des Work Packages 3, Renate Kain, gemeinsam mit weiteren Leitern des Consortiums organisiert. Renate Kain ist Leiterin des Klinischen Instituts für Pathologie (KIP) der MedUni Wien und stellvertretende Leiterin im Comprehensive Cancer Center (CCC) Vienna.

Frau Professor Kain, welche Rolle spielt die MedUni Wien bei Bigpicture?

Das Ziel eines Repositorys (Datenarchivs) für 3 Millionen Schnittbilder wird in sechs Arbeitspaketen umgesetzt: Wir sind in unserem Arbeitspaket für „Data collection and management“ dafür verantwortlich, dass diese 3 Millionen Schnittbilder mit den dazugehörigen Metadaten im Repository vorhanden sind. Die MedUni Wien ist damit für das größte Work Package auf akademischer Seite mit einer besonders großen, wichtigen und verantwortungsvollen Aufgabe zuständig, weil mit dem Liefern der Daten und der Sicherstellung, dass alle ihre Daten liefern, steht und fällt das Projekt.

Worum geht es hier genau?

Es gibt unterschiedliche Taskforces, die den Fortschritt der Arbeiten der unterschiedlichen Work packages übergreifend sicherstellen. Eine davon erarbeitet die Funktionalität der Struktur der Metadaten, hier hat sich unser Mitarbeiter Dr. Köller besonders eingesetzt, der auch ein PhD Studium in der automatischen Erkennung von Veränderung in Blasenkarzinomen im Rahmen des Projekts absolviert. Bei Metadaten geht es z.B. darum, zu jedem digitalisierten Bild einerseits technische Metadaten, andererseits Bild-spezifische Metadaten, wie die des „Data Contributors“, also derjenigen, die die Daten zur Verfügung gestellt haben, oder jene, die das Bild identifizieren.  Vereinfacht gesagt, welche Färbung die verwendet wurde, die Vergrößerung mit der gescannt wurde und die Diagnose der pathologischen Veränderung. Die Daten können aber auch viel detaillierter sein. Die Bereitstellung der Daten erfolgt über sogenannte Nodes, die thematisch Gruppen von Organen bzw. Pathologien zugeordnet sind. So kommen z.B. Schnittbilder, die aus klinischen Studien kommen, aus dem Clinical Trials Node. Es ist geplant, Daten von vor allem Breast Cancer Studien einfließen zu lassen – unter anderem auch von der ABCSG – da ist Assoz. Prof. PD. Dr in. Zsuzsanna Bagó-Horváth (Mamma Pathologin des Brustgesundheitszentrums am KIP) zentral involviert. Aber bis es so weit ist müssen noch viele rechtliche Grundlagen geklärt werden.

Warum ist die AI besonders bei Krebserkrankungen interessant?

Heute kommt in der Pathologie die AI diagnostisch bereits bei Krebserkrankungen zum Einsatz, das ist auch das große Entwicklungsgebiet der AI in der Pathologie. Tumoren sind Veränderungen des Gewebes mit – vereinfacht gesagt - histomorphologischen Mustern, die ein Computeralgorithmus erkennen, zuordnen und gruppieren kann.

Worum geht es bei AI in der Pathologie konkret?

Bei AI in der Pathologie geht es zum Beispiel in einem einfachen Fall darum, bei der Erkennung von Veränderungen zu unterstützen. Da wird AI aber noch weniger eingesetzt, interessant und bereits in Verwendung ist AI zum Beispiel in der Quantifizierung von bestimmten Biomarkern. Diese Programme kann man unterstützend in der Diagnostik einsetzen, weil der Computer in Bereichen wo wir semi-quantitativ arbeiten, genauere Zahlen liefern kann. Wenn man z.B. wissen möchte, wie rasch ein Tumor wächst, dann kann man z. B. den Proliferationsmarker Ki-67 einsetzen – er zeigt an wie schnell die Zellen wachsen und man evaluiert, in wieviel Prozent der Tumorzellen das Ki-67 im Zellkern gesehen werden kann. Aufgaben, wie z. B. das Zählen von tausenden Zellen, kann ein Computer viel effektiver, als das menschliche Auge, bewältigen. Es gibt auch Algorithmen die automatisch z.B. auch die Rezeptoren für Hormone beim Brustkrebs erkennen und damit Therapie-relevante Informationen liefern oder solche, die helfen, Unterschiede in Veränderungen einerseits zu erkennen und zu quantifizieren. In manchen Tumoren sind z. B. nicht in allen Bereichen Biomarker gleichmäßig oder erhöht vorhanden. Computerprogramme lassen die sogenannten Hotspots erkennen und auswählen.

Ist es so einfach wie es klingt?

Das Wesentliche dahinter sind einerseits qualitätskontrollierte Methoden, das Gewebe so zu verarbeiten und so anzufärben, dass ich dem Ergebnis vertrauen trauen kann, andererseits eine große Erfahrung der Patholog:innen in der Befundung dieser Biomarker. Wenn ich einen Schnitt zu lange färbe, habe ich ein anderes Ergebnis als wenn ich ihn zu kurz färbe. Dies zu erkennen erfordert eine genaue Kenntnis des zu erwartenden Ergebnisses, da dieses ja für die Diagnose relevant ist – letztlich wird der Befund, der oft das weitere therapeutische Vorgehen bestimmt, von Patholog:innen und nicht dem Computer unterschrieben. Das heißt, die qualitätskontrollierte Verarbeitung der Gewebes ist absolut notwendig, weil der Computer als Maschine nur damit rechnen kann, was er als Information erhält. Es gibt hier den schönen Spruch „Garbage in - Garbage out“.

Ein weiterer möglicher Einsatz ist, dass Schnittbilder künftig vor der Befundung durch Patholog:innen mittels AI gescreent werden und das Programm hebt bestimmte Veränderungen hervor, die ich mir nachher genauer anschauen muss. Das kann ein Computer z. B. über Nacht machen und hilft mir damit schneller und effizienter zu arbeiten. Computerprogramme können auch trainiert werden, in Lymphknoten Metastasen zu erkennen. Wenn ich rechne, das man im Hals-Nasen Bereich bei einem Karzinom bis zu 70 Lymphknoten ansehen muss, könnte ein Algorithmus auf diese hinweisen und so meine Arbeit erleichtern. Natürlich, diese Methoden müssen validiert werden, aber wenn man so einem Algorithmus trauen kann, dann ist das sicherlich eine Unterstützung für die Pathologie. Ähnliche Methoden für eine comuterbasierte Unterstützung werden bereits in der bildgebenden Diagnostik eingesetzt.

Was kann der Mensch besser als die AI?

Der Mensch sieht hinter einem histologischen Schnitt die Biologie der Erkrankung. Eine Momentaufnahme des krankhaften Zustandes erzählt einer erfahrenen Patholog:in die ganze Geschichte. Das kann der Computer im Moment nur bedingt. Es gibt aber bereits Computeralgorithmen, die z.B. bestimmte genetische Veränderungen hinter einem bestimmten histologischen Bild beschreiben können. Ich sage immer es ist so ein bisschen wie das selbstfahrenden Auto: Es geht aber ich glaube wir sind noch nicht dort wo wir ihm so vertrauen, dass wir es uneingeschränkt einsetzen.